15 Thesen zur Corona-Aufarbeitung des Berliner Senats
Daten, Dokumente und politische Antworten: Was die Berliner Senatsverwaltung zur Pandemie preisgibt – und was nicht.
Nach bisher 46 eigenen schriftlichen Anfragen an den Berliner Senat sowie der Auswertung zahlreicher weiterer Anfragen von Abgeordneten der 18. und 19. Legislaturperiode des Berliner Abgeordnetenhauses – ergänzt durch Daten des Landesamtes für Statistik Berlin-Brandenburg zur Krankenhaus- und Diagnosenstatistik – ergibt sich ein differenziertes Bild des tatsächlichen Pandemiegeschehens in Berlin.
Diese faktenbasierte Grundlage erlaubt erstmals eine kritische Überprüfung offizieller Narrative und öffnet den Raum für eine überfällige politische und gesellschaftliche Aufarbeitung.
These 1:
Der Berliner Senat weiss bis heute nicht, wie viele Menschen in Berlin tatsächlich aufgrund einer symptomatischen Corona-Erkrankung stationär behandelt werden mussten.
Siehe:
Drucksache (DS) 19/19560 S.1
DS 20377 S.2
DS 19/20728 S.2
These 2:
Er weiss lediglich, wie viele der Patienten, die in Berliner Krankenhäusern behandelt wurden, einen positiven Corona-Nachweis hatten.
Siehe:
DS 19/19560 S.2
These 3:
Es findet in Berlin auch keine systematische Auswertung der von diesen Krankenhäusern erfassten Daten zum Verlauf der Pandemie und zum COVID-19-Infektionsgeschehen in der Stadt statt.
Siehe:
DS 19/19092 S.3
These 4:
Der Berliner Senat weiss bis heute nicht, wie viele Menschen in Berlin aufgrund einer symptomatischen Corona Erkrankung intensivmedizinisch behandelt werden mussten.
Siehe:
DS 18/27440 S.2
DS 18/27441 S.2
DS 19/20376 S.3
These 5:
Der Senat hat keinerlei Kenntnis darüber, wie viele Kinder und Jugendliche in den Berliner Krankenhäusern aufgrund einer symptomatischen Covid-19-Infektion stationär behandelt werden mussten.
Siehe:
DS 19/19091 S.2
DS 19/19740 S.2
These 6:
Nach Auswertung der vom Landesamt für Gesundheit und Soziales veröffentlichten täglichen Covid-19 Lageberichten hat es zu keinem Zeitpunkt der Pandemie im Land Berlin einen »exponentiellen« Anstieg der Infektionszahlen gegeben. Der Senat relativiert in den Antworten auf unsere Anfragen seine eigene Begründung: Grundsätzlich besteht das Risiko, dass sich ein Infektionsgeschehen ohne entsprechende Maßnahmen zur Eindämmung exponentiell ausbreite.
Siehe:
DS 19/ 20574 S.2f
DS 19/21140
DS 19/19640 S.2
These 7:
Es hat in den Berliner Krankenhäusern zu keinem Zeitpunkt eine Überbelegung aufgrund akuter und symptomatischer Corona-Patienten gedroht.
Siehe:
DS 19/20376 S.2
These 8:
Dem Berliner Senat ist nicht bekannt, wie viele Menschen in Berlin tatsächlich aufgrund einer Covid-19-Infektion verstorben sind. Es gibt bisher keine verlässliche Definition für den Corona-Tod. Als »an Corona verstorben« gilt für das Robert Koch Institut jeder, bei dem im Krankheitsverlauf unabhängig von der Hauptdiagnose ein positiver Corona-Befund entweder labordiagnostisch bestätigt oder aber auch (nur) klinisch vermutet wurde.
Siehe:
DS 19/18873, S.2
These 9:
Die Berliner Krankenhäuser hatten in den Pandemie-Jahren eine durchschnittliche Bettenauslastung zwischen 74-75%. Sie lag damit um rund 10 % niedriger als in den Vorjahren.
Siehe:
DS 18/23051
DS 18/27439
DS 19/19739
Statistik Berlin Brandenburg: Statistischer Bericht Krankenhäuser im Land Berlin 2022, Teil I Grunddaten, S.6
These 10:
Offenbar konnten in den Berliner Kliniken in der Pandemie Überstunden abgebaut werden. Allein in der Charité wurden im ersten Pandemiejahr 2020 37.164 Überstunden abgebaut! Insgesamt wurden in den Pandemiejahren von 2020 bis 2023 25.815 Überstunden mehr abgebaut als geleistet. Der landeseigene Krankenhausbetrieb Vivantes weigert sich lt. Senat, die entsprechenden Zahlen zu angefallener Mehrarbeit und abgebauten Überstunden bekanntzugeben. Man könne dazu keine Auskunft geben.
Siehe:
DS 19/19739 S.1
These 11:
Der Senat verweigert sich darüber Auskunft zu geben, ob sich die Patientenverweildauer während der Pandemiejahre in den Berliner Krankenhäuser im Vergleich zu den Vorjahren verändert hat.
Siehe:
DS 19/18438 S.3
DS 19/20376 S.3
These 12:
Der Berliner Senat hat den Beschluss, ein Corona Behandlungszentrum auf dem Messegelände zu errichten, gefasst, ohne sich dazu mit der Geschäftsführung des
landeseigenen Krankenhausunternehmens abzusprechen und sich sachverständigen Rat einzuholen.
Siehe:
DS 19/20059 S.2
These 13:
Der Berliner Senat hat für den Betrieb des Corona Behandlungszentrums auf dem Berliner Messegelände zu keinem Zeitpunkt ausreichendes medizinisches Fachpersonal zur Verfügung gehabt. Die wiederholte Aussage, ein solches Behandlungszentrum könne betrieben werden, ohne auf aktives Personal aus den vorhandenen Krankenhäusern zurückgreifen zu müssen, entbehrte jeder Grundlage.
Siehe:
DS 19/19561
These 14:
Der Berliner Senat hat sich an der Ausgrenzung Ungeimpfter beteiligt und ihre Diskreditierung auch in Berlin gebilligt.
Siehe:
DS 19/20615
These 15:
Der Berliner Senat sieht keinen Grund für eine Amnestie für alle diejenigen, die aufgrund von Verstößen gegen die sogenannten Corona- Schutzmaßnahmen mit einem Ordnungswidrigkeitenverfahren belegt wurden. Obwohl der ehemals Regierende Bürgermeister Michael Müller in einem Gespräch mit dem Tagesspiegel vom 8. April 2024 zugegeben musste, dass manche dieser Maßnahmen »nicht so zwingend waren wie wir damals dachten«, gäbe es dafür keinen Anlass. Den Betroffenen stehe ja der Rechtsweg offen.
Siehe:
DS 19/20617 S.5