Die Narrative der Pandemie
Angst regierte, Kritik wurde zum Tabu.
Narrative beherrschten die gesellschaftliche Debatte in der Pandemiezeit. Gebetsmühlenartig wurden auf allen Kanälen immer wieder die gleichen Argumentationsmuster präsentiert. Wer sie hinterfragte, sah sich ausgegrenzt. Die öffentliche Berichterstattung kam in weiten Teilen daher wie der Countdown zu den letzten Tagen der Menschheit.
Mit den gespenstischen Bilder aus Bergamo vom nächtlichen Abtransport der Särge mit »Corona-Toten« auf Militärfahrzeugen wurden irrationale Ängste geschürt. Zur Aufklärung trug diese Art der Berichterstattung nichts bei, sie beförderte stattdessen ein gesellschaftliches Klima, das eine kritische Auseinandersetzung mit den Geschehnissen nahezu unmöglich machte.
1. Narrativ:
Eine Überflutung der Berliner Krankenhäuser mit Covid-19-Patienten
muss unbedingt verhindert werden.
Die Fakten:
I.
Im Jahr 2018 gab es in Berlin nach den Zahlen des Landesamtes für Statistik Berlin-Brandenburg 872.749 vollstationäre Behandlungsfälle, für die 20.574 Krankenhausbetten zur Verfügung standen. Von diesen 872.7491 Behandlungsfällen waren 54.768 Fälle den Diagnosegruppen J00-J99, die das gesamte Spektrum der Atemwegserkrankungen abdecken, zugeordnet. Der Anteil dieser Diagnosegruppen an der Gesamtzahl aller Behandlungsfälle lag bei 6,27%.
Im Jahr 2019 waren es 883.900 vollstationäre Behandlungsfälle, die in 20.636 Krankenhausbetten versorgt wurden. Die durchschnittliche Patientenverweildauer betrug 7,3 Tage. Von den 883.900 Behandlungsfällen waren 24.506 Fälle durch ihre Kodierung dem Spektrum der Atemwegserkrankungen zugeordnet. Der Anteil dieser Diagnosegruppen an der Gesamtzahl aller Behandlungsfälle lag bei 2,77%.
Im ersten Corona-Jahr 2020 standen in Berlin 20.584 Krankenhausbetten zur Verfügung. Die Zahl der vollstationären Behandlungsfälle war im Vergleich zum Vorjahr um 108.859 auf 775.041 Fälle gesunken. Die Bettenauslastung sank um 9,9 % auf 74,2 %. Die durchschnittliche Verweildauer betrug 7,2 Tage. 47.545 Fälle waren den Diagnosegruppen J00-J99 der diversen Atemwegserkrankungen zugeordnet. Darunter waren nun auch jene Patienten kodiert, die mit einem positiven Corona-Befund stationär behandelt werden mussten. Der Anteil dieser Diagnosegruppen an der Gesamtzahl aller Behandlungsfälle lag bei 6,13%.
Im 2. Corona-Jahr 2021 standen 20.498 Krankenhausbetten zur Verfügung. Die Zahl der vollstationären Behandlungsfälle hatte erneut abgenommen und war um 35.679 auf 739.362 Fälle gesunken. Die durchschnittliche Verweildauer betrug 7,4 Tage und die Bettenauslastung lag bei 71,5%. 44.384 Fälle waren dem Spektrum der Atemwegserkrankungen zugewiesen. Der Anteil dieser Diagnosegruppen an der Gesamtzahl aller Behandlungsfälle lag bei 6,00%.
Im Jahr 2022 betrug die Zahl der vollstationären Behandlungsfälle 748.435, für die 20.257 Krankenhausbetten vorhanden waren. Die Bettenauslastung stieg um 2,7 % auf 74,2 %. Die durchschnittliche Verweildauer lag bei 7,3 Tagen. 47.669 Fälle waren den Diagnosegruppen J00-J99 als Atemwegserkrankungen zugeordnet. Der Anteil dieser Diagnosegruppen an der Gesamtzahl aller Behandlungsfälle lag bei 6,36%.
Betrachtet man die Gruppe der Atemwegserkrankungen genauer, dann waren im Jahr 2018 14.240 Pneumonien (J12-J18)1 und 996 Grippefälle (J9-J11) kodiert, 2019 waren es 14.008 Pneumonien und 804 Grippefälle und 2020 16.368 Pneumonien und 705 Grippefälle. Ab 2021 wurden die beiden Erkrankungen Grippe und Pneumonie statistisch in einer einzigen Gruppe J09 bis J18 zusammen erfasst.
Warum das ausgerechnet im 2. Jahr einer Pandemie erfolgt ist, konnte nicht ermittelt werden. Eine exakte Trennung der Zahl der beiden Erkrankungen wäre für die Beurteilung des Verlaufs einer Pandemie natürlich von Bedeutung gewesen. Im Jahr 2021 sind entsprechend 16.719 und 2022 14.982 Pneumonie- und Grippefälle erfasst.
Quelle: Statistische Berichte Krankenhäuser im Land Berlin 2018-2023
https://www.statistik-berlin-brandenburg.de/200-2023
1In dieser Gruppe sind auch die symptomatischen Covid-19-Infektionen als »Viruspneumonie, anderenorts nicht klassifiziert« mit dem ICD-10-Code J12 verschlüsselt.
II.
Bis zum Stichtag 5. Mai 2023, dem Tag, an dem die WHO die »internationale Gesundheitsnotlage « durch das Corona Virus für aufgehoben erklärte, waren in den Berliner Krankenhäusern 39.279 Fälle mit einem positiven Corona Nachweis stationär behandelt worden.1 Der Berliner Senat verfügt allerdings über keinerlei Informationen darüber, ob diese Patienten tatsächlich aufgrund ihrer symptomatischen Covid-19-Infektion stationär behandelt werden mussten oder ob der positive Corona-Befund als Nebendiagnose im Rahmen einer anderen Hauptdiagnose erhoben wurde.
Im Jahr 2020 wurde bei insgesamt 6.566 Patienten, die sich in stationärer Behandlung befanden, ein positiver Corona-Befund nachgewiesen. Über das Jahr verteilt, sind pro Tag im Schnitt 18 neue »Corona«-Patienten in den Berliner Krankenhäusern stationär aufgenommen worden.
Bis zum 31.12.2021 waren es kumuliert insgesamt 18.538 Personen, die in Berlin als »Corona-Fälle« hospitalisiert werden mussten. 11.972 »Fälle« waren im Laufe des Jahres dazugekommen. Pro Tag waren das 33 »Corona«-Patienten.
Im Jahr 2022 kamen weitere 14.206 Fälle hinzu. Die Gesamtzahl der vollstationären Behandlungsfälle stieg auf 32.744. Im Schnitt kamen über das Jahr pro Tag 39 stationäre »Corona«-Patienten dazu.
Nach dem sogenannten Berliner SAVE-Konzept, mit dem die Berliner Kliniken auf einen möglichen Ansturm von Corona-Patienten vorbereitet werden sollten, standen für die Aufnahme dieser Patienten 16 sogenannte Level-2-Krankenhäuser zur Verfügung. Das SAVE-Konzept teilte die Berliner Kliniken in drei Kategorien ein. Als Level-1-Krankenhaus war die Charité für die Versorgung schwersterkrankter Corona-Patienten vorgesehen. Sie sollte zudem die gesamte Intensivversorgung für Berlin koordinieren.
Für die Behandlung der anderen Corona-Patienten standen darüberhinaus 16 weitere Krankenhäuser als Level-2-Kliniken zur Verfügung. Dazu gehörten zum Beispiel das Unfallkrankenhaus in Marzahn, mehrere Vivantes-Standorte, das St. Joseph- und das Sankt Gertrauden-Krankenhaus, das Helios Klinikum Berlin-Buch und die Caritas Klinik Pankow. Zur dritten Kategorie der Level-3-Kliniken zählten rund 20 weitere Krankenhäusern mit entsprechenden Notaufnahmen, die ebenfalls über Intensivbetten verfügten, die aber zunächst keine Covid-19-Patienten behandeln, sondern für die Versorgung anderer Intensivpatienten zuständig sein sollten.
Verteilt man nun die täglichen Aufnahmen von Patienten mit einem positiven Corona-Nachweis auf diese 16 Level-2-Kliniken, dann machte das pro Tag für jedes dieser Häuser im Jahr 2020 1,125 Patienten aus, im Jahr 2021 waren es 2 Patienten täglich und im Jahr 2022 2,4 Patienten. Eine »Überflutung« sieht anders aus!
1 Lagebericht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales Berlin vom 5.5.2023
III.
Die folgende Tabelle gibt die Zahl der Patienten wieder, die sich von Januar bis August 2021 zum jeweiligen Stichtag mit einem positiven Corona-Befund in den Berliner Krankenhäusern in stationärer Behandlung befanden.2
Datum | Stationär | Peripher | ITS | Beatmet/ECMO3 |
---|---|---|---|---|
03-01-2021 | 1.694 | 1.257 | 437 | 343/39 |
03-02-2021 | 1.228 | 878 | 350 | 250/37 |
03-03-2021 | 722 | 502 | 220 | 171/21 |
03-04-2021 | 639 | 399 | 240 | 194/17 |
03-05-2021 | 623 | 330 | 293 | 221/46 |
03-06-2021 | 229 | 94 | 135 | 91/34 |
03-07-2021 | 94 | 47 | 47 | 21/17 |
03-08-2021 | 82 | 44 | 39 | 20/9 |
Der Tag mit der höchsten Auslastung der Berliner Krankenhausbetten durch Patienten mit einem positiven Corona-Nachweis war der 29.Dezember 2020.
An diesem Tag belegten 1.773 Personen4, bei denen unabhängig von ihrer Grunderkrankung ein positiver Virusbefund vorlag, 7,87 Prozent der lt. Krankenhausplan 2020 in Berlin vorhandenen 22.523 vollstationären Betten5.
- 2 Alle Zahlen aus den täglichen Lageberichten des LaGeSo. Abzurufen unter: https://data.lageso.de/lageso/corona/corona.html
- 3 ExtraCorporale MembranOxygenierung
- 4 Täglicher Lagebericht LageSo vom 30.12.2020
- 5 Die hier dem Krankenhausplan 2020 auf Seite 57 entnommene Bettenzahl in den 52 Berliner Plankrankenhäusern für das Jahr 2020 weicht von der vom Landesamt für Statistik Berlin Brandenburg ab. Dort sind auf Seite 6 des Berichts für 2020 20.584 Betten vermerkt.
Die höchste Auslastung der Berliner Intensivbetten durch Corona-positive Patienten wurde am 7. Januar 2021 mit 456 erreicht.6 Lt. DIVI-Intensivregister waren zu diesem Zeitpunkt für Berlin, inkl. einer Notfallreserve von 360 Betten, 1.538 Intensivbetten gemeldet.7 Insgesamt liegt die Hospitalisierungsrate, wenn man sie auf die Gesamtzahl der 1.458.691 positiven Testbefunde bezieht, die bis zum 3.1.2024 in Berlin registriert wurden, mit 45.763 bei 3,13 %.8 Der Altersmedian der hospitalisierten Patienten lag bis zum Stichtag am 31.12.2022 bei 71 Jahren.9
IV.
In der Charité betrug die Anzahl der Überstunden, die vom Pflegepersonal im ersten Pandemiejahr 2020 geleistet werden mussten 32.393. Im Jahr 2021 waren es 31.481 und im Jahr 2022 57.819.
Abgebaut werden konnten im Jahr 2020 69.557 Überstunden, im Jahr 2021 48.265 und im Jahr 2022 21.662.
Insgesamt wurden vom Pflegepersonal der Charité in den Pandemiejahren von 2020 bis 2022 121.693 Überstunden geleistet, gleichzeitig aber konnten auch 139.484 Überstunden abgebaut werden, so dass 17.791 Stunden mehr abgebaut als geleistet wurden.
Das landeseigene Krankenhausunternehmen Vivantes sieht sich ausserstande Angaben zur in den Pandemie-Jahren aufgelaufenen Mehrarbeit und zur Zahl der abgebauten Überstunden zu machen.10
- 6 Abgeordnetenhaus von Berlin, DS 19/18871, S.4
- 7 Alle Zahlen aus den täglichen Lageberichten des LaGeSo. Abzurufen unter: https://www.intensivregister.de/#/aktuelle-lage/zeitreihen
- 8 Täglicher Lagebericht LaGeSo vom 3.1.2024
- 9 Täglicher Lagebericht LaFeSo vom 31.12.2022
- 10 Abgeordnetenhaus von Berlin, DS 19/19738, S. 2
2. Narrativ:
”Flatten the curve!“ – Das »exponentielle« Wachstum des Virus muss eingedämmt werden.
Gesundheits-Staatssekretär Martin Matz (SPD) erklärte auf der Senatspressekonferenz vom 23. November 2021 der aktuelle Anstieg der Infektionszahlen in Berlin entspreche einem »exponentiellen Wachstum«. Ein »exponentielles« Wachstum ist dadurch definiert, dass die Ausgangsmenge in immer gleichen Zeitabständen um einen konstanten Faktor ansteigt.
Am 24. April 2020 beantwortete der Senat eine Schriftliche Anfrage (DS 18/23126) des Abgeordneten Andreas Statzkowski (CDU) nach einer Bettenbedarfsprognose für „Corona- Infizierte“, unter Punkt 7, »aufgrund des sich nicht mehr exponentiell entwickelnden Infektionsgeschehens« sei eine genaue Bettenbedarfsprognose für Corona-Infizierte im Land derzeit nicht valide möglich. Die Antwort enthält die Aussage, dass es zu einem Zeitpunkt in der Stadt ein »exponentielles Wachstum« gegeben haben muss. In seiner Antwort auf eine Nachfrage in DS 19/19640 vom 19.7.2024, wann es diesen exponentiellen Anstieg gegeben hat, weicht der Senat aus und erklärt, alle Prognosen zur Weiterentwicklung eines Infektionsgeschehens gerade zu Beginn einer Pandemie könnten immer nur Hypothesen sein. Grundsätzlich bestehe das Risiko, dass sich ein Infektionsgeschehen ohne entsprechende Maßnahmen zur Eindämmung exponentiell ausbreite.
Zur Entwicklung des Infektionsgeschehens verweist er auf die Zahlen aus dem täglichen Lagebericht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales. Dort werde die Dynamik im zeitlichen Verlauf in der Darstellung der gemeldeten Fallzahlen deutlich. Eine konkrete Antwort gibt er nicht. An anderer Stelle verweist er zur Begründung seines Narrativs auf den starken Anstieg der »Corona-Fälle« von der 9. bis zur 13. Kalenderwoche 2020.11
11Abgeordnetenhaus von Berlin, DS 19/20574, S. 3
Die Fakten:
In der 9. KW 2020 wurde in Berlin der erste »Covid-19- Fall« gemeldet, in der 10. KW waren es 36, in der 11. KW 256, in der 12. KW 845 und in der 13. KW 1.380. Ab der 14. KW ist die wöchentliche Fallzahl bis zur 18. KW dann wieder auf 342 abgesunken.12
Der Senat verschweigt in seiner Darstellung des »exponentiellen« Infektionsgeschehens stets, dass sich im gleichen Zeitraum auch die Anzahl der in der Stadt durchgeführten Corona-Tests von 1.268 in der 10. KW auf 19.705 in der 13. KW und damit um den Faktor13 15,54, erhöht hat.
Von den 1.268 Tests, die in der 10. KW durchgeführt wurden, waren 36 (2,83%) positiv. In der 11. KW waren von 9.506 Tests 256 (2,69%) positiv. In der 12. KW von 19.560 Tests 845 (4,32%) positiv. In der 13. KW wurden 19.705 Tests gemeldet, von denen waren 1.380 (7,00%) positiv. Von den 22.597 Tests der 14. KW waren 1.233 (5,45%) positiv. Von den 20.911 Tests in der 15. KW waren 924 (4,41%) positiv. In der 16. KW waren von 19.669 Tests 570 (2,89%) positiv. In der 17. KW wurden 21.450 Tests durchgeführt, von denen waren 437 (2,03%) positiv und in der 18. KW gab es 20247 Tests, von denen 342 (1,68%) positiv waren.
Die Testzahlen hatten sich von der 11. zur 12. KW mehr als verdoppelt (205%) und waren von der 11. bis zur 14. KW sogar um 237,71% angestiegen.
Sicher gab es zu Beginn der Pandemie in Berlin von der 9. bis zur 13. Kalenderwoche einen deutlichen Anstieg der nachgewiesenen positiven Testbefunde. Damit verbunden war aber zu keinem Zeitpunkt ein exponentieller Anstieg klinisch bedeutsamer Corona-Infektionen.
Einen massiven Anstieg der Corona-»Fälle« gab es z.B. von der 51. KW 2021 mit 10.984 bis zur 4. KW 2022 mit 73.566 positiven Testbefunden, aber auch hier sind zwar starke Schwankungen, aber kein exponentieller Anstieg zu beobachten. Die täglichen Zahlen der positiven Tests liegen in diesen Wochen zwischen 51 am 25.12.2021 und 17.416 am 25.1.2022. In diesen Zeitraum fällt auch die bereits weiter oben erwähnte höchste stationäre Belegung mit Corona-positiven Patienten, aber auch hier war kein exponentieller Anstieg klinisch bedeutsamer CoronaInfektionen festzustellen.
Bis zur 10. KW 2022 sanken die Zahlen wieder auf 29.401.14
- 12 Abgeordnetenhaus von Berlin, DS 19/21140, S. 2
- 13 Faktor = Fallzahl aktuell/Fallzahl Vorwoche
- 14 Landesamt für Gesundheit und Soziales: COVID-19 in Berlin, Fallzahlen und Indikatoren Gesamtübersicht, abzurufen unter: https://www.berlin.de/lageso/gesundheit/
3. Narrativ:
Corona ist ein tödliche Erkrankung, besonders die Alten und Schwachen sind zu schützen. »20-25% der Alten werden sterben«15
I.
Es gibt bisher keine verlässliche Definition für den Corona-Tod. Als an Corona verstorben gilt für das Robert Koch-Institut jeder, bei dem im Krankheitsverlauf unabhängig von der Hauptdiagnose ein positiver CoronaBefund entweder labordiagnostisch bestätigt oder aber auch (nur) klinisch vermutet wurde.16
Nach dem Lagebericht des Landesamtes für Gesundheit und Soziales sind in Berlin bis zum Stichtag 5. Dezember 2024 6.312 Menschen »mit oder an Covid-19« verstorben.17
Aufgrund der Dunkelziffer, wie viele Menschen sich in Berlin tatsächlich mit dem Virus infiziert hatten, lässt sich die Letalitätsrate nicht sicher bestimmen. Setzt man die Zahl der Todesfälle in Relation zur Zahl der zum Stichtag 3. Dezember 2024 positiv erhobenen Testbefunde von 1.467.109, so liegt die Todesrate bei 0,43 Prozent.
II.
Ob die Covid-19-Infektion tatsächlich auch ursächlich für den Tod war, muss in vielen Fällen ungeklärt bleiben. Die Anzahl der Obduktionen von an COVID-19 verstorbenen Personen in Berlin ist dem Senat nicht bekannt.18
Eine systematische Untersuchung der Todesursachen im Verlaufe dieser Pandemie ist auch in der Wissenschaftsstadt Berlin nicht erfolgt.
Auch die Rolle des Robert Koch-Instituts (RKI) war hier eher antiaufklärerisch. In einer später geänderten Handreichung des RKI für Mediziner und Bestatter vom 24. März 2020 hatte es unter dem Titel »Empfehlungen zum Umgang mit Covid-19- Verstorbenen«, zunächst im Zusammenhang mit vermeintlich an Covid-19 verstorbenen Personen wörtlich geheissen: „… Eine innere Leichenschau, Autopsien oder andere aerosolproduzierenden Maßnahmen sollten vermieden werden. Sind sie notwendig, sollten diese auf ein Minimum beschränkt bleiben…“.
Der damalige Präsident des Bundesverbands Deutscher Pathologen, KarlFriedrich Bürrig und der damalige Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Pathologie, Gustavo Baretton, verfassten daraufhin einen gemeinsamen Brief, in dem sie forderten, gerade aktuell sollten Obduktionen bei Corona-Verstorbenen nicht vermieden, sondern im Gegenteil, so oft wie möglich durchgeführt werden, auch um den Zusammenhang mit anderen Grunderkrankungen der Verstorbenen zu erhellen. Daran bestehe ein hohes öffentliches Interesse.19
Offensichtlich teilte der Berliner Senat dieses Interesse nicht. Es geht nicht darum zu bestreiten, dass eine Corona-Infektion tödlich verlaufen kann. Es geht darum zu erfahren, warum man an Corona stirbt, wenn man an Corona stirbt. Nicht weil wir Corona leugnen, sondern weil wir Corona ernstnehmen. Der Hinweis auf einen positiven Corona-Test oder teilweise auch nur der im Krankenblatt notierte klinische Verdacht auf eine mögliche Covid-19- Infektion reicht zur Aufarbeitung der Pandemie nicht aus.
Die Wissenschaft braucht diese Erkenntnisse notwendigerweise um z.B. Therapieansätze zu bewerten und Behandlungserfolge beurteilen zu können. Eine Obduktion hat auch heute noch eine unverändert große Bedeutung für das Verständnis der Pathogenese von Krankheiten. Nur durch die Untersuchung der Gewebeproben und Organe von COVID-19-Verstorbenen bekommt man ein detailliertes Bild davon, was eine Infektion mit dem neuen Virus im Körper anrichtet.
- 15 So z.B. die Ansage von Prof. Christian Drosten in seinem NDR-Podcast Nr.9 vom 9.3.2020
- 16 Abgeordnetenhaus von Berlin, DS 18/23175
- 17 Täglicher Lagebericht LaGeSo vom 3.12.2024
- 18 Abgeordnetenhaus von Berlin, DS 19/18873, S.2
- 19 zitiert nach tagesschau.de vom 9.4.2020
III.
Im April 2020 wurde am Uniklinikum RWTH Aachen ein »Deutsches Register für Covid-19-Obduktionen« (DeRegCOVID) ins Leben gerufen. Es erfasst mittlerweile die Daten von 29 universitären sowie 5 nicht-universitären Zentren, die Obduktionen von COVID-19-Verstorbenen durchführen.
In einer vorläufigen Bilanz hat das Register hat aus der Zeit vom März 2020 bis zum September 2021 1.129 Obduktionen erfasst, darunter 107 aus Berlin.20 Von den 1.129 Fällen konnten 1.095 in eine wissenschaftliche Auswertung einfließen. An bzw. mit Corona verstorben, waren in Deutschland zu diesem Zeitpunkt 93.711 Personen.21
Das heisst nur 1,20 % der in Deutschland an oder mit Corona Verstorbenen wurden zur Klärung ihrer vermeintlichen Corona-Todesursache obduziert. Danach war in 86% der Fälle die Covid-19- Infektion tatsächlich ursächlich für den Tod. Die häufigste Todesursache war dabei der sogenannte diffuse Alveolarschaden, ein »Verschleimen« der Lungenbläschen, die für den Gasaustausch beim Atmen verantwortlich sind, das pathologische Korrelat des akuten Lungenversagens, in dessen Folge es zu einem Multiorganversagen kommt.
Im Umkehrschluss heisst das aber auch: In 14% der obduzierten Fälle war die Todesursache nicht auf die Covid-19-Infektion zurückzuführen.22 Überträgt man dieses Ergebnis auf die Zahl der in Berlin bis zum 3.Dezember 2024 an oder mit Corona Verstorbenen, so dürften in Berlin etwa 5.428 Menschen tatsächlich an Corona verstorben sein. Damit läge die Todesrate bezogen auf die verifizierten positiven Testbefunde bei 0,36%.
IV.
Aus den Zahlen des täglichen Corona-Lageberichts des Landesamtes für Gesundheit und Soziales vom 20.2.2024 ergibt sich im Detail folgende Bilanz:

- 1. In der Altersgruppe der schulpflichtigen Kinder bis 14 Jahre ist bei 205.825 Personen ein positiver Virusnachweis erfolgt, davon ist keine Person verstorben.
- 2. In der Altersgruppe unter 20 Jahre ist bei 281.158 Personen ein positiver Virusnachweis erfolgt, davon sind 35, das sind 0,012 %, verstorben.
- 3. In der Altersgruppe von 20 bis 49 Jahren ist bei 772.395 Personen ein positiver Virusnachweis erfolgt, davon sind 67, das sind 0.0086 %, verstorben.
- 4. In der Altersgruppe der 50 – 59jährigen ist bei 191.115 Personen ein positiver Testbefund erhoben worden, davon sind 195, das sind 0,10 %, verstorben.
- 5. In der Altersgruppe der 60-69jährigen wurde bei 101.791 Personen ein positiver Testbefund erhoben, davon sind 580, das sind 0,56 %, verstorben.
- 6. In der Altersgruppe der 70-79jährigen wurde bei 53.097 Personen ein positiver Testbefund erhoben, davon sind 1.366, das sind 2,57 %, verstorben.
- 7. In der Altersgruppe über 80 Jahre ist bei 57.540 Personen ein positiver Virusnachweis erfolgt, davon sind 3.891 Personen, das sind 6,76 %, verstorben.
- 8. Der Altersmedian der verstorbenen Personen lag bis zum Stichtag am 31.12.2022 bei 83 Jahren.23
- 20 Sachbericht Deutsches Register für Covid-19 Obduktionen (DeRegCOVID) vom 29.06.2023
- 21 Täglicher Lagebericht des RKI zur Coronavirus-Krankheit-2019 vom 1.10.2021, S.1
- 22 First report from the German COVID-19 autopsy registry; Stillfried, Saskia, Böcker, Jana et al. The Lancet Regional Health – Europe, Volume 15, April 2022
- 23 Täglicher Lagebericht LaGeSo vom 31.12.2022